Sichtung aller Personalakten zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt

Kirchenkreis Krefeld-Viersen: Unabhängiges Team eingesetzt

  • 16.10.2025

Im Evangelischen Kirchenkreis Krefeld-Viersen werden derzeit sämtliche Personalakten der vergangenen Jahrzehnte geprüft. Ein unabhängiges Team aus erfahrenen Fachleuten – drei pensionierte Kriminalbeamte und ein Richter a. D. – untersucht die Unterlagen systematisch auf mögliche Hinweise zu sexualisierter Gewalt. Der Kirchenkreis will damit im Rahmen der landeskirchenweiten Aufarbeitung Verantwortung übernehmen und ein deutliches Zeichen setzen: Eine Kultur des Wegschauens darf es nicht geben!

4100 Personalakten werden geprüft

Seit Anfang August warten rund 4100 Personalakten auf ihre Sichtung: etwa 1860 elektronische Akten aktueller und seit 2021 ausgeschiedener Mitarbeitender sowie rund 2250 Papierakten aus den Personalarchiven von Kirchenkreis, Diakonie und Gemeindeverband Krefeld. Bislang hat das vierköpfige Sichtungsteam rund 400 Akten überprüft.

Einheitlicher Leitfaden für die Aufarbeitung

Die Überprüfung erfolgt auf Grundlage eines Leitfadens der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR). Dieser wurde nach einem Pilotprojekt im Kirchenkreis Wuppertal entwickelt und steht nun allen Kirchenkreisen zur Verfügung. Der Leitfaden garantiert ein einheitliches Vorgehen nach fachlich anerkannten Standards im Umgang mit sexualisierter Gewalt.

Fachteam prüft Hinweise mit kriminalistischem Blick

Das Krefelder Fachteam prüft jede Akte sorgfältig auf mögliche Hinweise auf grenzverletzendes Verhalten, Übergriffe oder Missbrauch. „Auffälligkeiten können sich zum Beispiel aus häufigen Versetzungen, Beschwerdebriefen oder internen Notizen ergeben“, erklärt Klaus Kattendahl-Biedemann, ehemaliger Kriminalbeamter und Mitglied des Sichtungsteams. Werden entsprechende Hinweise gefunden, gehen die Akten an das Landeskirchenamt in Düsseldorf. Dort übernehmen pensionierte Staatsanwälte die weitere Bewertung. Sie prüfen sowohl die mögliche strafrechtliche Relevanz als auch den damaligen Umgang kirchlicher Leitungen mit entsprechenden Fällen.

Ziel: Verantwortung übernehmen und Betroffene stärken

Die umfassende Sichtung soll Betroffenen Gehör verschaffen, Verantwortung sichtbar machen und kirchliche Strukturen langfristig verbessern. Parallel zur Aufarbeitung setzt der Kirchenkreis stark auf Prävention. „Beides gehört für uns untrennbar zusammen“, betont Superintendentin Dr. Barbara Schwahn.

Prävention und Schulungen als fester Bestandteil

Alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden sind verpflichtet, regelmäßig an Schulungen zur Prävention sexualisierter Gewalt teilzunehmen und den Verhaltenskodex einzuhalten. Die Teilnahme ist verbindlich. „Wer Schulungen wiederholt versäumt, muss mit arbeitsrechtlichen oder disziplinarischen Konsequenzen rechnen“, so Schwahn. Das gilt für haupt- wie ehrenamtliche Mitarbeitende gleichermaßen.

Schutzkonzept sorgt für Transparenz und Konsequenz

Das Schutzkonzept gegen sexualisierte Gewalt, das im gesamten Kirchenkreis, in den Gemeinden und Einrichtungen gilt, dient als verbindlicher Leitfaden. Es hilft, Fehlverhalten frühzeitig zu erkennen oder zu verhindern – und stellt sicher, dass bekannte Fälle mit der nötigen Transparenz und Konsequenz aufgearbeitet werden. Betroffene erhalten unmittelbar Unterstützung durch die Vertrauenspersonen des Kirchenkreises: Kerstin Leuchten, Pfarrer Torsten Möller und Pfarrerin Katrin Fürhoff (Seelsorge).

Hintergrund: Teil der landeskirchlichen Aufarbeitung

Die Aktensichtung im Kirchenkreis Krefeld-Viersen ist Teil der landesweiten Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR).
Die bundesweite ForuM-Studie hatte deutlich gemacht, dass Hinweise auf sexualisierte Gewalt in früheren Jahrzehnten häufig nicht ernst genug genommen oder unzureichend verfolgt wurden.

 

Foto und Text: Ramona Kullick, Kirchenkreis Krefeld-Viersen

  • Jens Peter Iven