Aufarbeitung in der Evangelischen Kirche im Rheinland
Aufarbeitung bedeutet die Auseinandersetzung mit vergangenen Geschehnissen und den Umgang mit deren Nachwirkungen in der Gegenwart. Wie bereits von Adorno 1959 beschrieben: „Es kommt wohl wesentlich darauf an, in welcher Weise das Vergangene vergegenwärtigt wird, ob man beim bloßen Vorwurf stehenbleibt oder dem Entsetzen standhält durch die Kraft, selbst das Unbegreifliche noch zu begreifen.“
Wesentliche Eckpunkte einer verantwortungsbewussten Aufarbeitung sind Unabhängigkeit, Transparenz und Betroffenenbeteiligung. Gelingende Aufarbeitung benötigt den externen Blick und kann nicht allein aus der Institution heraus selbst geleistet werden. Gleichzeitig funktioniert strukturelle Aufarbeitung nicht ohne die Verantwortungsübernahme und Mitwirkung der betroffenen Institution. Betroffene Menschen müssen an den Aufarbeitungsprozessen als gleichberechtigte Mitwirkende auf Augenhöhe eingebunden werden und müssen die Möglichkeit bekommen, die Prozesse aktiv mitzugestalten.
Aufarbeitung soll die systemischen Risikofaktoren sexualisierter Gewalt – Aufdecken, soll Strukturen erkennen und sichtbar machen. Verbunden mit dem Ziel einer Anerkennung des Unrechts und Leids. Aufarbeitung soll einen Beitrag leisten, Schutzbefohlene besser zu schützen und ihre Rechte zu etablieren und soll die Gesellschaft für die Dimensionen sexualisierter Gewalt sensibilisieren.
Die Gemeinsame Erklärung und die daraus resultierende Gründung der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen haben das Ziel, eine unabhängige Aufarbeitung sexualisierter Gewalt nach einheitlichen Kriterien und Standards zu garantieren – Betroffenenpartizipation ist hierbei ein entscheidendes Kernelement. Die Evangelische Kirche im Rheinland, die Evangelische Kirche von Westfalen, die Lippische Landeskirche und das Diakonisches Werk Rheinland-Westfalen-Lippe e. V. bilden hierbei gemeinsam den Verbund West.
Unabhängig hiervon sind die verschieden Aufarbeitungsstudien, die die Evangelische Kirche im Rheinland begonnen bzw. abgeschlossen hat. Im Januar 2023 wurden die Ergebnisse der Studie zum Alumnat Martinstift veröffentlicht. Eine Vorstudie zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in evangelischen Internaten und internatsähnlichen Einrichtungen liegt ebenfalls vor.
Im Zuge der Aufarbeitungsprozesse, die unter Mitwirkung von betroffenen Menschen und unter externer Begleitung durchgeführt werden, sollen auch hier Erkenntnisse über die Gewaltkonstellation und Machtstrukturen liefern sowie Ursachen und Versäumnisse ermitteln. Die Ergebnisse sollen helfen, betroffenen Menschen Gehör und Anerkennung zu verschaffen und die kirchlichen Prozesse und Maßnahmen zur Prävention sexualisierter Gewalt verbessern.